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Rückblick Retrospective
Mehrwert N01, N02, N03, N05
Netzkultur<en> : Mediengespräche über und mit Internet
1996, Raststätte, Aachen
Ein Gemeinschaftsprojekt von Kunststudenten, Mehrwert e.V. und WipeOut-Cafe
Netzkultur<en>
Das Mediengespräch über und mit Internet ging aus der Lehrveranstaltung "Einführung ins Internet" hervor, die im Wintersemester 1995/96 am Institut für Kunstgeschichte, RWTH Aachen stattfand. Das Seminar handelte vornehmlich von Online-Literaturrecherchen und Kunstprojekten im World Wide Web. Es wurde bald klar, daß der angestaute Diskussionsbedarf sich nur außerhalb des Instituts entladen konnte.
Übersicht
N00 Erlebnisbericht, von Hans Dieter
Huber
N01 Netzkultur<en> I, Januar 96
N02 Netzkultur<en> II, April 96
N03 Netzkultur<en> III, Juli 96
N05 Netzkultur<en> V, Oktober 96
Die Jungs von der Raststätte
Hans Dieter Huber
| Elektronisch publiziert,
Raststätte, Aachen, 1997
"Mehrwert", "Raststätte", "Netzkulturen", "Heimat", immer mit "e.V." hinten dran, locken dich auf eine falsche Fährte. Ich stelle mir eine Fifty-Tankstelle vor mit weit auskragendem Vordach, roten Metallstützen, schrägen Glasscheiben, an einem Kreisel oder einer grossen Einfallstrasse in Aachen. Als Gregor am Telefon sagt, dass der Pächter im ersten Stock ein Zimmer hätte, wo ich übernachten könnte, denke ich an eine Gaststätte mit Schlüsselbrett an der Theke. Ich komme in Aachen an und die Raststätte ist gar keine Gaststätte und auch keine Tankstelle, sondern ein ehemaliger Gemüseladen. Innen befindet sich gar nichts, nur ein staubiger Betonfussboden ohne Estrich. Es riecht nach Presslufthammer. Massivste Stahlträger mit rostigen Fleischerhaken hängen aus den Deckenresten. In dem Staub Kilometer von Koax-Kabeln, ein wackliges Tischchen mit ebensolchem Stuhl, PC und Tastatur. Noch eine kleine Nirosta-Spüle mit dem üblichen, unabkömmlich dunkelgrauen Plastik-Rohr als Skulptur sichtbar in den Raum drapiert. Arte Povera Chic oder ist nur das Geld ausgegangen? Einer pappt einen 200.000 DM Beamer mit Transportbändern und schwarzem Gaffertape an die Decke. Is' ja nich' mein Beamer. Jedenfalls beschliesse ich, sorgfältig darauf zu achten, an diesem Abend nicht unter dem Gerät zu stehen. Eiskalt drin. Ich frage den Pächter, ob er einen warmen Pullover für mich hätte. Sehe aus wie ein Skilehrer aus St. Johann.
Publikum trollt ein. Man kennt sich. Vom 40-jährigen Hippie über freiwillige Umschuler zu hippen Designstudentinnen, Ökos, Avantgardoes mit Fluppe im Mund. Auch' ne Oma mit Dutt und Brille kommt rein. Muss sich verlaufen haben. Ist gestopft voll. Viel zu wenig IKEA-Klappstühle, selbst im Schaufenster ist keine Backe mehr frei. Langsam wirds wärmer. Jeder Redner hat 10 Minuten, danach wird ihm der Hahn abgedreht. Sie stehen in der messerscharfen Projektion des Beamers und tauchen ins blaue Leuchten des Datenschirms. Auf den Gesichtern zeichnet der Kathodenstrahl eine Topographie ferner Nähe. Der Informatiker tippt fehlerlos die schwierigsten URLs per Zufruf ein. HIT ENTER und da ist die Seite.
Was auf den ersten Blick ungekonnt aussehen mag, ist jedoch Resultat grösster Präzision. Sprezzatura - gekonnte Nachlässigkeit - würde Castiglione den Jungs von der Raststätte attestieren. Ein superschneller ISDN-Anschluss lässt die Seiten förmlich auf den Bildschirm poppen. Die Projektion ist ausgezeichnet, superscharfes Bild, klasse Farben, 3x5 Meter gross glüht die Wand in blauen Pixels. Eine einmalige Crew ist da am Werk. Man müsste sie auf Tournee schicken in die digitalen Katakomben verräucherter Clubs.: "Die Drei von der Raststätte."
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Netzkultur<en> I
Fr 26.01.96, Raststätte, Aachen
Wissenschaft - Romantik, Digitale Museen - Blitzreview, Privatsphäre - Stadtmetaphern, Bibliophile Manien - Electronic Café
Wie immer bei Medienrevolutionen wird in den jeweils älteren Medien viel über das neue Medium spekuliert. Besonders die Printmedien sind prall gefüllt mit Berichten und Essays, mit Glossen und Satiren. Dagegen sind im ältesten Medium, dem mündlichen Gespräch, öffentliche Debatten um das Thema Internet äuerst selten. "Netzkultur<en> - Mediengespräch" reagierte auf diese Defizite und erzeugt Selbstbeschreibungen der Netzgemeinde, um sie anschließend ins WWW selbst einzuspeisen.
Matz Berger/Rene Schrader-Bölsche: "Wissenschaft", Dr. Ludger Fischer: "Romantik", Gregor Jansen: "Digitale Museen", Christoph Blase: "Blitzreview", Holger Friese: "Stadtmetaphern", Christian Bracht: "Bibliophile Manien", Christian Scholz: "Electronic Cafe"
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Netzkultur<en> II
Fr 19.04.96, Raststätte, Aachen
Privatsphäre - Personenkult, Bilder<un>sinn - Sprachkultur, Big Business - Anschlusssuche, Komposition - Moderation
Nach der unerwartet erfolgreichen Durchführung des ersten Mediengespräches und dem Wunsch vieler Besucher, eine Fortsetzung zu realisieren, waren wir schnell bereit, einen zweiten Abend durchzuführen. Auf die einführenden Beiträge des ersten Mediengesprächs sollten diesmal tiefergehende Überlegungen folgen, die zum einen die konkreten Benutzungsbedingungen und Zukunftspotentiale betrafen, zum anderen auf die Phänomene ihrer Erscheinung, die Oberflächen, und Inhalte abhoben. Die "Komposition" war ein Experiment, welches zwei Orte, an denen Musiker ihr Stück zusammenstellten, über das Internet verband.
Peter Simons: "Privatsphäre", Christoph Blase: "Personenkult", Holger Friese: "Bilder<un>sinn", Ludger Fischer: "Sprachkultur", Christopher Funk: "Big Business", Thomas Neugebauer: "Anschlusssuche", Rene Schrader-Bölsche: "Komposition", Gregor Jansen: "Moderation"
Netzkultur<en> III
Fr 05.07.96, Raststätte, Aachen
Introspektion - Kooperation, Docuversum - Selbstkontrolle,
Geschlechtertausch - Lovebirds, Digitale Welt? -
Auflösung<en>
Die Gruppe Netzkultur<en> versuchte erneut, unterschiedliche
Ansätze, Analysen und Anwendungen des Internets zu vermitteln.
Die Referenten aus verschiedenen Disziplinen lüfteten die
Geheimnisse des HTML, stöberten strukturalistisch in den
ortlosen Labyrinthen des Docuversums, stellten die grafischen
Oberflächen zur Diskussion und hinterfragten mithin die
Qualität des digitalen Zeitalters futuristisch, als auch dem
Geschlechtertausch psychologisch ein Schnippchen geschlagen wurde.
Zum Schluß wurde ein selten bedachter Aspekt vorgestellt, der
der kreativen Nutzung von zufällig ge- und ungesuchten
Begegnungen. Die wie immer anschließende Diskussion zeigte
die innerhalb eines halben Jahres gewachsene Sachkenntnis des
Publikums, das sich rege zu den differenzierten Problemstellungen
äußerte.
Matz Berger: "Introspektion", Gregor Jansen: "Kooperation", Dr.
Anette Kluge: "Geschlechtertausch", Wilhelm Schürmann:
"Lovebirds", Christopher Funk: "Digitale Welt?", Christian Scholz:
"Auflösung<en>"
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Netzkultur<en> V
Sa 12.10.96, Raststätte, Aachen
Spezial - Das Mediengespräch mit und über Kunst im Internet
Anlaß für den speziellen Themen-Abend in der Netzkultur<en>-Reihe war das Gastspiel des WipeOut-Cafes im Ludwig Forum. Das erfolgreiche Konzept der Diversifikation wurde für dieses mal aufgegeben, um einer detailreichen und differenzierten Sicht auf das Phänomen Kunst und Internet Raum zu geben.
Nach der Präsentation der neuen Seiten der Raststätte von Werner Wernicke und des Ludwig Forums von Christian Scholz kamen praxisorientierte Kunstprojekte von Holger Friese, Michael Krome und Heinz Herbert Mann zur Sprache. Mit der skulptur.projekte Ausstellung in Münster, dem artworks (jetzt artthing) Projekt und dem Reiff2-Museum wurden Dienstleistungsserver vorgestellt. Die Beiträge von Hanjo Berressem, Christoph Blase und Hans Dieter Huber thematisierten die medien- und kunsttheoretischen Probleme im Umgang mit den visuellen Adaptierungspotentialen des Internet und der Kunst in historischer als auch zukünftiger Perspektive. Der Kunst-Surf-Kurs von Wilhelm Schürmann riß die Möglichkeiten des Internets als kreativ-produktive Spielform inovativ auf.
Prof. Hanjo Berressem: "Total oberflöchlich!? - Die Kunst und das Internet", Christoph Blase: "Das Problem mit der Kunst im Internet", Priv.Doz. Dr. H.D.Huber: "Kunsterfahrung im Internet?", Holger Friese/Markus Müller: "Skulptur. Projekte in Münster 97", Michael Krome: "ArtWorks", Priv.Doz. Dr. H.H.Mann: "Reiff II - ein virtuelles Museum", Wilhelm Schürmann: "Nach dem Bild ist vor dem Bild", Christian Scholz/Werner Wernicke: "Interessante Institutionen im Internet"
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