Nach fast einem halben Jahrhundert des Verfalls gewinnt diese Ausstellung im halbswegs rekonstruierten ehemaligen Thüringischen Landesmuseum in Weimar ein Gebäude für die Kunst zurück, das als eines der frühen deutschen Museen 1868 eingeweiht wurde und das wie kaum ein anderes unter der Ignoranz und dem Vandalismus zweier deutscher Regime gelitten hat. Drei Jahre vor der geplanten Wiedereröffnung als Neues Museum Weimar bietet die Ausstellung mit dem anspielungsreichen Titel nach weimar die seltene Chance, Gegenwartskunst in museal noch nicht definierten Räumen des 19. Jahrhunderts zu erleben und gleichzeitig über die Aufgaben der Institution nachzudenken, die sie 1999 beziehen wird. Gerade die gegenwärtigen Erscheinungsformen zeitgenössischer Kunst provozieren zunehmend Fragen nach der Angemessenheit von tradierten Ausstellungsformen innerhalb des Museums. Hier ist insbesondere von seiten eines neu zu gründenden Museums für Gegenwartskunst der Dialog mit den Künstlern gesucht, in deren Werk die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedingungen ihrer Arbeit im Mittelpunkt steht.

Die erste Ausstellung im Neuen Museum Weimar versteht sich als ein Angebot, probeweise mögliche Formen der Veränderung durchzuspielen. Ihr Ziel ist es daher nicht, eine Auswahl von Künstlern unter einem thematischen oder stilistischen Aspekt zu versammeln, sondern vielmehr geht es darum, einen geistigen Freiraum zu bieten, in dem jeder Besucher seine eigenen Fragen finden kann. Statt der Illustrierung eines Themas zeigt sie ein Spektrum künstlerischer Positionen der Kunst der 90er Jahre. Die Ausstellung verdeutlicht nicht nur einen produktiven Prozeß der Veränderungen, sondern besitzt in ihrer Entstehungsgeschicht selbst prozessuale Züge.
Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Kunst steht - sichtbar oder unsichtbar - fast immer der Mensch. Dabei kennt die Ausstellung keine herkömmlichen Bilder, keine Fotografien. Auch die traditionellen Videoinstallationen werden durch neuen Formen ersetzt. Die beams boomen, gesurft wird im Internet, nomen est modem. Aber auch die vermeintliche Vorherrschaft multimedialer Neuerungen wird sofort wieder gebrochen. Beständig ist nur der Wechsel, die permanente Grenzüberschreitung der verschiedensten Gattungen zwischen Kunstobjekten, Design und Video, Installationen und Alltagsgegenständen. Kunst im Übergang.
Ausgangspunkt der Ausstellung war eine einfache Idee von Paul Maenz, dessen bedeutende Sammlung internationaler Kunst der 60er, 70er und 80er Jahre den Grundstock des zukünftigen Neuen Museums Weimar bildet. Die Absicht des ehemaligen Galeristen war es, junge Galeristen aufzufordern, sich mit ihren Künstlern und mit ihrer Sicht auf die Kunst der 90er Jahre vorzustellen, um so die in Weimar heimisch gewordene eigene Sammlung in die Zukunft zu verlängern. Nach mehreren Gesprächen zwischen Paul Maenz und Mitarbeitern des Museums luden die Kunstsammlungen folgende Galerien ein: Gebauer & Thumm, Berlin; neugerriemschneider, Berlin; Barbara Weiss, Berlin; Wohnmaschine, Berlin; EIGEN + ART, Berlin/Leipzig; Christian Nagel, Köln; Schipper & Krome, Köln/Berlin; ACC, Weimar; Allgirls Gallery, Berlin.

Die Konzeption wurde von seiten der Galerien auf den Leiter der Kunst-Werke Berlin Klaus Biesenbach, und den Leiter des Künstlerhaus Stuttgart, Nicolaus Schafhausen, übertragen, die ihrerseits im Auftrag des Museums in einem weiteren Schritt eine frei kuratierte Ausstellung entwarfen und Künstler ihrer Wahl einluden, um auch künstlerische Positionen außerhalb des Galeriensystems einzubinden. Ziel aller Bestrebungen war es, Schranken zu überwinden und zu einer breiten Kooperation zwischen Künstlern, kommerziellen Galerien, unabhängigen Kuratoren, Museum und Sammlern zu gelangen. Daß es mit diesen optimistischen Wunschvorstellungen zugleich auch reichlich Konfliktpotential mitgeliefert wurde, war allen Beteiligten klar. Im Laufe der Vorbereitung stand die Ausstellung nicht nur einmal vor dem Scheitern. Für die am Museum tätigen Wissenschaftler mit ihren vermeintlichen Erfahrungen bedeutete die Ausstellung ein Wagnis, überließen sie doch weitgehend einer neuen Generation das Feld. Die allgemeine Skepsis, die bei gegenseitigen Bemühungen um Verständnis zwischen unterschiedlichen Generationen als normal eingestuft werden kann, wandelte sich allmählich in zur Einsicht. Ausstellung und Katalog kamen nur zustande, weil alle es gewollt haben. Die einen lernten es, Zwänge bürokratischer Abläufe, Termine und finanzielle Vorgaben zu akzeptieren, die anderen mußten zähneknirschend mit sich ständig wandelnden Vorstellungen und Abläufen fertig werden. Statt Recherchen und allmählich entstehenden Aufsätzen über vorhandene Kunstwerke beherrschten Disketten, Telefonate, Faxe und e-Mails sowie Fragen nach der baldigen Entstehung des zu erwartenden Kunstwerks den musealen Alltag. Das schnellebige multimediale Zeitalter wetteiferte mit der sich selbst überholenden Kunst. Zu Zeiten, in denen der Ausstellungskatalog in einzelnen Fällen früher fertig ist, als das Kunstwerk, in denen die schnellen Faxe von Telefonaten überholt werden, beruhigt es den lernfähigen Museumsmenschen, wenn ein dynamischer Galerist ein Telefonat über mediale Vermittlungsprobleme mit dem überraschenden atavistischen Bekenntnis abschließt: "Ich schick's mit der Post."
Der Prozeß des dauernden Wandels, der die Arbeit an dieser Ausstellung prägte und zu einem Erfahrungsraum für alle Beteiligten werden ließ, ist am Ende auch in der Ausstellung und ihrer Präsentation spürbar.
Daß die Ausstellung in Zeiten herber Sparmaßnahmen zustandekam, ist auf der einen Seiten verschiedenen Förderinstitutionen und Wirtschaftsunternehmen zu verdanken, auf der anderen Seite und in ganz besonderem Maße den auf der Baustelle "Landesmuseum" verantwortlich tätigen Architekten, Firmen und Bauleuten, die ihre termingebundene Arbeit einschränkten, um der Kunst ein Gastspiel zu gewähren.
Für finanzielle Förderung danken wir der Stiftung Kulturfonds Berlin und dem Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Besonders dankbar erwähnen möchten wir die Hypo-Kulturstiftung, die es uns ermöglichte, nach dem unerwarteten Ausfall fest eingeplanter Gelder mittels einer groß zügigen Spende den Katalog doch noch zu drucken. Unser namentlicher Dank gilt den Herren Dr. Hans Frey und Hans-Dieter Eckstein, München und Frau Anja Messingschlager, Weimar.
Materielle Unterstützung in der Ausstellungsvorbereitung verdanken wir dem InterCity Hotel Weimar und der Telekom Thüringen. Unser persönlicher Dank gilt dem Architekturbüro Dr. Lutz Krause, der Firma Stuck-Rietschel, dem Restaurierungs-Atelier Coreon und dem Ing.-Büro Hussmann, die alle viel Verständnis für die junge Kunst gezeigt haben.
Abschließend danken wir der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, als Bauherr für ihr Verständnis in allen schwierigen Situationen.

Rolf Bothe, Gerda Wendermann