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"Blickst du hinauf und liest die Worte ..."
Beschreibung der Installation.
Im offenen Gelände nahe dem Fluß , dessen hügeliges Ufer im
Sommer grasbewachsen und nur von wenigen Menschen besucht ist, wird eine
Metallkonstruktion errichtet, die Ähnlichkeit mit einem Sendemast hat. Wenn
der Betrachter näher an sie herantritt und den Blick an ihr hinaufwandern
läß t, bemerkt er zu seinem Erstaunen, daß zwischen den
"Fühlern" des Sendemastes kaum sichtbare Buchstaben angebracht sind, die
sich bei angestrengtem Hinschauen zu Worten verbinden. Sie bilden folgenden Text:
"Mein Lieber! Du liegst im Gras, den Kopf im Nacken, um dich herum keine
Menschenseele, du hörst nur den Wind und schaust hinauf in den offenen
Himmel - in das Blau dort oben, wo die Wolkenoeziehen - das ist vielleicht das
Schönste, was du im Leben getan und gesehen hast."
Das "Salz" der Installation ist die Stärke der Linien, aus denen die
Buchstaben und der gesamte Text entstehen. Sie ist (als 3 mm starker Draht) so
bemessen, da sie vor dem Hintergrund des Himmels aus 13 Metern Entfernung vom
Boden aus eine Art Flimmereffekt erzeugen: "Sehe ich da etwas oder nicht?" (Ein
ähnlicher Effekt entsteht, wenn man ein Spinnennetz im Unterholz eines
Waldes sieht.) Mit einer gewissen Anstrengung unserer Augen können wir also
diesen Text lesen, doch strengen wir uns nicht an, so könnten wir glauben,
es gäbe ihn nicht. Mal erscheint der Text vor unseren Augen, dann löst
er sich wieder vor dem Himmel auf. Dieses Flimmern beim Entziffern des Textes
stimmt mit seiner Doppeldeutigkeit überein. Man kann ihn ebenfalls als
Trugbild oder Erscheinung auffassen.
Immer, wenn wir zum Himmel aufschauen, ahnen oder erwarten wir unbewuß t
eine "Botschaft" von dort oben. Es scheint uns, als geschhe in diesem unendlich
hohen All irgend etwas. Doch ich kann kaum erwarten, da sich dieses Etwas direkt
an mich wenden und einen Kontakt zu mir persönlich herstellen wollte.
Das entspricht wiederum der Unsicherheit meiner Augen. Der riesige Antennenschirm
hat auf eine rätselhafte Weise diese "Information" empfangen und
übermittelt sie mir, wenn ich am Fuß des Sendemastes stehe und den
Kopf hebe.
Ich möchte jedoch wiederholen, daß dieser Effekt des
überraschenden Angesprochen werdens nur dann entsteht, wenn mein
Bewußtsein und meine Augen nicht ganz sicher sind, daß sie in
großer Höhe wirklich etwas im blauen Himmel vor den weißen
Wolken erkennen und entziffern.
Da gerade dieser Standort zur Realisierung der beschriebenen Installationsidee
gewhält wurde, hat einen besonderen Grund: Er befindet sich in unmittelbarer
Nachbarschaft zu der wunderschnen Plastik von Donald Judd am selben Ufer des
Flusses. Judds Kunstwerk strebt mit seiner ganzen Konstruktion in die Höhe,
zum Himmel auf. Steht man daneben, so wandert der Blick unwillkürlich nach
oben. Judd hat hier eine Verbindung von Himmel und Erde geschaffen. Unter dem
Eindruck dieses Werkes wollte ich das selbe Thema aufgreifen, da die Uferlinie,
die umgebende Landschaft und die Aura des Ortes selbst ber eine weiten Strecke
hin gleich bleiben.
Des weiteren enthält diese Installation auch ein "spielerisches" Element.
Der Sendemast mit der Antenne ist ein eindeutiges Bild, Symbol unserer
technischen Zivilisation und ihres ununterbrochenen "Fortschritts". Er ist ein
Mittel zur Weitergabe von "Informationen" an die ganze Welt und zum Empfang von
Informationen von überallher, die von Jahr zu Jahr mehr werden und das
menschliche Aufnahmevermögen bei weitem überfordern. Das "Pathos"
dieser Installation besteht nun gerade darin, da man aus diesem "Wind" der
Zivilisationoehinaustritt, mit sich und der Natur allein ist und das Wehen eines
ganz anderen Windes vernimmt.
Da dieses Kommunikationssymbol, die Antenne, ihre gewohnte Funktion verliert und
nicht mehr deren Instrument ist, sondern lediglich als Untergestell und Rahmen
für einfache menschliche Worte dient, kann man ebenfalls als eine Art Symbol
lesen, ja sogar als "Protest", der in ironischer, "spielerischer" Form
ausgedrückt wird.
Kurze technische Beschreibung
Die Installation ist eine Stahlkonstruktion, die aus einem Mast und 22 an seiner
Spitze befestigten "Antennen" aus Metall besteht. Zwischen diese Antennen sind 3
mm dünne Metallbuchstaben geschweißt.
Der dreikantige Mast (Höhe 13 m) mit einer Kantenbreite von je 45 cm ist
unten auf einem Betonblock befestigt (oberirdische Höhe 20 cm).
An der Mastspitze sind zwei Aluminiumrohre (Durchmesser 40 cm) befestigt, die
bei 14,45m lang sind. Sie dienen als Unterlage für die lotrecht darauf
liegenden "Antennen". Die beiden Aluminiumrohre "liegen" parallel, der Abstand
zwischen ihnen beträgt 45 cm. Sie sind fest an das obere Mastende montiert,
damit sie sich nicht drehen können.
Auf diesen beiden Rohren sind 22 verschieden lange "Antennen" befestigt. Sie
sind zusammengesetzt (siehe Zeichnung), bestehen im Mittelteil aus
ineinandergeschraubten Rohren und enden in normalen 2 cm starken
Metallstäben. Der Abstand zwischen ihnen ist zur Mitte der Konstruktion hin
größer und zu den Rändern hin kleiner (siehe Zeichnung).
Zwischen den "Antennen" sind Buchstaben angebracht. Sie sind aus 3 mm starkem
Draht und an die Antennen entweder angeschweiß t oder angeschraubt. Da die
"Antennen" im Wind schwanken können, muß die Befestigung der
Buchstaben noch gründlich überdacht werden.
Die Verankerung des Mastes und der "Antennen". Der Mast wird von 6
Spanndrähten gehalten, die an 10 m vom Mast entfernt in die Erde
eingegrabenen Betonpfosten verankert sind. 3 Drähte (8 mm stark) gehen von
der Mastspitze und 3 von der Mastmitte aus. Damit sich die beiden Rohre, auf
denen die "Antennen" befestigt sind, nicht biegen, sind diese ebenfalls mit zwei
Drähten gesichert. Zu diesem Zweck ist an der Mastspitze ein 2 m hoher
senkrechter Stab angebracht, von dem die beiden Drähte ausgehen und an den
"Antennenpfetten" befestigt werden. So bleibt die gesamte Antennenkonstruktion
stets in der Waagerechten.
"Mein Lieber! Du liegst im Gras, den Kopf im Nacken, um dich herum keine
Menschenseele,du hörst nur den Wind und schaust hinauf in den offenen Himmel
- in das Blau dort oben, wo die Wolken ziehen - das ist vielleicht das
Schönste, was du im Leben getan und gesehen hast."
Aus dem Russischen von Annelore Nitschke
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